
Wohnungsnot – ein in München seit Jahrzehnten bekanntes Problem. Der Wohnraum wird immer knapper, die Mieten steigen weiter und vor allem die weniger wohlhabende Bevölkerung findet auf dem freien Markt keine bezahlbaren Wohnungen. Bereits in den 1920er Jahren, nach dem ersten Weltkrieg, beschäftigte dieses Thema den Münchner Stadtrat. Neue Ideen und Modelle mussten gefunden werden, um den gravierenden Mangel an Wohnraum zu beheben und insbesondere bedürftigen Einwohnern eine adäquate Wohnung zur Verfügung stellen zu können.
Karl Preis, Münchner SPD-Stadtrat und Leiter des Wohnungs- und Siedlungsreferats, verfasste hierzu 1927 eine „Denkschrift zur Lage und Beseitigung der Wohnungsnot in München“ und profilierte sich damit als Experte auf dem Gebiet des Wohnungsbaus. Erklärtes Ziel des 1884 in einfachen Verhältnissen geborenen Karl Preis war, genug Wohnraum für alle Bewohnerinnen und Bewohner in München zu schaffen und so in der Stadt einen guten Lebensstandard zu ermöglichen.
Ehrgeizige Ziele
In seinem Bauprogramm, das er auf Grundlage des 1926 initiierten Münchner Sonderbauprogramms erarbeitete, plante Karl Preis den Bau von 12.000 Wohnungen. Besonders innovativ waren hierbei die 2.055 Kleinwohnungen mit einer Wohnfläche von 40 bis 50 Quadratmetern. Die katastrophalen hygienischen Zustände, die in den permanent überbelegten Großraumwohnungen herrschten, wollte Karl Preis dadurch zusätzlich eindämmen. Um die Arbeiten möglichst schnell realisieren zu können, setzte er sich für die Gründung einer gemeinnützigen Baugesellschaft ein.
Auf seine Empfehlung hin wurde am 6. Juni 1928 die „Gemeinnützige Wohnungsfürsorge AG“, kurz GEWOFAG, gegründet. Diese sollte „durch Förderung des Bauens von Wohnungen, insbesondere von preiswerten und gesunden Wohnungen für die minderbemittelte Bevölkerung und Angehörige des Mittelstandes unter der Berücksichtigung der Bedürfnisse kinderreicher Familien, zur Behebung der Wohnungsnot und zur Herstellung ordentlicher Wohnungsverhältnisse in München“
1 beitragen.
Der Beginn: Wohnungen in Neuramersdorf
Als eines der ersten Bauprojekte und als größte Wohnsiedlung, die im Rahmen des Bauprogramms entstand, errichtete die GEWOFAG von 1928 bis 1930 die Großsiedlung Neuramersdorf. Auf Grundlage der Planungen von Karl Preis entstanden so 3.500 neue Wohnungen für Familien und Bedürftige.
Von 1928 bis zu seiner Amtsenthebung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 blieb Karl Preis Aufsichtsratsvorsitzender der GEWOFAG. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs erhielt er in der ersten Sitzung des Nachkriegsstadtrats seine Ämter zurück. Doch knapp ein Jahr später, am 9. Mai 1946, starb Karl Preis im Alter von 61 Jahren und wurde im alten Teil des Waldfriedhofs bestattet. Noch im selben Jahr wurde der ehemalige Melusinenplatz in Ramersdorf in Karl-Preis-Platz umbenannt und dem Gründer der GEWOFAG so ein Denkmal gesetzt.
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Wohnraum für alle
Genug Wohnraum für alle und bezahlbare Wohnungen vor allem für bedürftige Einwohner: Diese Vision von Karl Preis ist auch über 60 Jahre nach seinem Tod der wichtigste Grundsatz der GEWOFAG.
„Das Wesentliche scheint uns zu sein, dass hier in München zur Behebung der Wohnungsnot (…) in stiller Arbeit ein hervorragender Beitrag geleistet worden ist, der bleibenden Wert hat und sich höchst vorteilhaft unterscheidet von all den mit mehr Lärm als innerem Gehalt in die Welt gesetzten Experimenten der letzten Jahre, die einer ebenso unfruchtbaren wie kostspieligen (öffentliche Gelder!) Ideologie entsprangen.“ (Oberbauamtmann Rudolf Pfister über Karl Preis)
GEWOFAG wird hundertprozentiges Tochterunternehmen der Stadt
Nach mehr als 80 Jahren als Gemeinnützige Wohnungsfürsorge AG war es 2009 Zeit für eine neue effiziente Struktur. Die neugegründete GEWOFAG Holding GmbH ist ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der Stadt München und übernahm als übergeordnete Dachgesellschaft von jetzt an zentrale Aufgaben (zum Beispiel Steuerung, Verwaltung, Finanzen) für die verschiedenen Tochtergesellschaften, die sich nun auf die operativen Tätigkeiten und Dienstleistungen konzentrieren konnten. Die neue Struktur machte nicht nur die Aufgabenverteilung klarer und übersichtlicher; als Tochter der Landeshauptstadt konnte die GEWOFAG ab sofort auch leichter und schneller Aufgaben vom Wohnungsbau bis zur Hausverwaltung für die Stadt erledigen.
1 Rädlinger, Christine: GEWOFAG 1928–2003 – Die Geschichte der Gemeinnützigen Wohnungsfürsorge AG, München 2003
2 Vgl. Arbeitskreis Stadtteilgeschichte Ramersdorf e. V.: Karl Preis